Umbau der Tierhaltung und Anpassung an den Klimawandel gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten gestalten — SPD-Agrarsprecher von EU, Bund und Ländern positionieren sich mit Potsdamer Erklärung

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Anlässlich der Internationalen Grünen Woche 2023 fand im Brandenburger Landtag in der Landeshauptstadt Potsdam die Konferenz der Sprecherinnen und Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Fraktionen des Bundestages, der Landtage, des Abgeordnetenhauses und der Bürgerschaften sowie der Europaabgeordneten statt. An der Konferenz beteiligten sich insgesamt 18 Abgeordnete, begleitet von den SPD-Expertinnen und -experten der Parlamente.
Im Mittelpunkt der Tagung standen der Status Quo und das weitere Vorgehen zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft, die Planungen zur Haltungs- und Herkunftskennzeichnung und das Baugesetz in Bezug auf den Stallum-, Neu- und Erweiterungsbau sowie die Vorschläge der EU-Kommission zur Reduzierung der Pflanzenschutzmittel und zur Wiederherstellung der Natur. Hinzu kamen die Strategien für den Erhalt von Mooren, zum weiteren Umgang mit den Wölfen und die Förderung der heimischen Eiweißerzeugung. Zusätzlich bot die Konferenz die Gelegenheit zu einem Austausch zu den Initiativen der Länder für eigene Agrarstrukturgesetze und dem weiteren Umgang mit den BVVG-Flächen in den neuen Ländern.
Die Beteiligten der Konferenz in Potsdam haben sich nach ausgiebiger Beratung in wichtigen Punkten auf die folgenden gemeinsamen Positionen verständigt:

Tierhaltung

  • Die Tierhaltung in Deutschland ist ein wesentlicher Teil der Landwirtschaft, die zu einer bedeutsamen Wertschöpfung beiträgt und die erforderliche Kreislaufwirtschaft überhaupt erst möglich macht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Art und Weise der praktizierten Tierhaltung die gesellschaftliche Anerkennung erfährt. Hierbei gibt es erhebliche Defizite, die dringend angegangen werden müssen.
  • Der derzeitige Umgang des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit den Vorschlägen sowohl der Borchert-Kommission als auch der Zukunftskommission Landwirtschaft ist nicht zufriedenstellend und sogar enttäuschend. Einem Großteil der Tierhalterinnen und Tierhalter in Deutschland fehlt eine Planungssperspektive zur weiteren Entwicklung ihrer Betriebe. Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die vor Entscheidungssituationen stehen, rennt sprichwörtlich die Zeit davon. Daher besteht eine besondere Eilbedürftigkeit bei den Planungen zur Haltungs- und Herkunftskennzeichnung auf der Bundesebene und bei der Klärung des Baurechtes zum Stallbau. Die Ergebnisse der Arbeiten aus der Borchert-Kommission und Zukunftskommission Landwirtschaft müssen beschleunigt umgesetzt werden. Ein Warten auf angekündigte EU-Vorschläge ist abzulehnen, ebenso wie spezielle Länderöffnungsklauseln innerhalb des Bundesgebietes. Die Chancen zur Weiterentwicklung der Tierhaltung muss in allen Bundesländern gleichermaßen gegeben sein.
  • Im Grundsatz gilt, dass die Tierhalterinnen und Tierhalter beim Mehraufwand für Investitionen und bei höheren Kosten der laufenden Erzeugung einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung und Ausgleich haben. Letztlich müssen alle gesellschaftlich gewünschten Veränderungen von gegenseitigem Respekt getragen sein.

 

Entwicklung der Natur

  • Die Bewahrung der natürlichen Ressourcen gehört zu den Kernanliegen unserer Zeit. Der Verlust der biologischen Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosysteme schreiten in vielen Teilen Europas in alarmierendem Tempo voran und schaden den Menschen, der Umwelt, dem Klima und der Wirtschaft. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Vor diesem Hintergrund werden die Vorschläge der EU-Kommission zur Wiederherstellung der Natur als nachvollziehbare Zielstellungen gewertet. Das bisherige Engagement aller Akteure für den Naturschutz und die positiven Entwicklungen in Schutzgebieten in Deutschland müssen dabei jedoch Berücksichtigung finden. Gebiete mit Nachholbedarf müssen einen fairen Beitrag leisten.
  • Zielführend erscheint grundsätzlich die Stärkung kooperativer Ansätze, mit denen die Erfordernisse der Landnutzung und die Ansprüche des Naturschutzes miteinander verbunden werden. Richtungsweisende Beispiele dafür liefern bereits heute das F.R.A.N.Z.-Projekt in Deutschland oder das Niederländische Modell der Kooperativen.

 

Erhalt von Mooren

  • Der Agrarsektor hat, ebenso wie alle anderen Wirtschaftsbereiche, Maßnahmen zur Reduktion von Klimagasen und zur Anpassung an den Klimawandel voranzubringen. Dabei gilt die Wiedervernässung von Mooren als eine wirkungsvolle Maßnahme, die sich aus der Landwirtschaft heraus gestalten lässt.
  • Unter Berücksichtigung der gegebenen Wasservorkommen ist diese Entwicklung gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten voranzubringen und muss neue Perspektiven für die Landnutzung hervorbringen.
  • Damit unterscheidet sich eine Wiedervernässung in ihrer Wirkung deutlich von einer Renaturierung, die keinen weitergehenden Anspruch an eine wirtschaftliche Nutzung von Flächen hat. Durch Wiedervernässung vermiedene Emissionen und der durch den Aufbau neuer Torfschichten gebundene Kohlenstoff müssen dabei als Wert anerkannt und honoriert werden.
  • Neue wirtschaftliche Perspektiven mit vernässten Mooren sind derzeit vielfach im Forschungsstadium und liegen in der Erzeugung von Lebensmitteln sowie von biologischen Ausgangserzeugnissen, die in der weiteren Verwendung als Baustoffe, Torfersatzprodukte oder auch als Energieträger genutzt werden können. Die Potentiale neuer Anbauverfahren durch Paludikulturen (Nutzpflanzen auf Moorstandorten) sowie die weitere Nutzung durch Weidetiere sind daher durch Forschung und Entwicklung intensiv voranzubringen und neue Wertschöpfungsketten aufzubauen. Zudem sind Agri- oder Freiflächen-PV auf gleichzeitig wiedervernässten Flächen nach den Empfehlungen der Wissenschaft als weitere alternative Einkommensquelle für Landwirtinnen und Landwirte zu fördern. Vorhandene Förderinstrumente sind auf ihre Eignung zu prüfen und weiterzuentwickeln.

Start der neuen GAP-Förderperiode

  • Der Start der neuen Förderperiode der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik ist nach außerordentlich langwierigen Abstimmungsprozessen innerhalb der Europäischen Union mit dem Jahresbeginn 2023 erfolgt. Jetzt steht fest, dass alle Landwirtinnen und Landwirte bis zum Mai 2023 den jährlichen Förderantrag nach den neuen Regeln erstellen müssen, damit es zum Jahresende zur entsprechenden Auszahlung kommen kann. Aufgrund der äußerst komplexen Fördersystematik ist aktuell allerdings zu befürchten, dass viele Landwirtinnen und Landwirten nicht ausreichend informiert und auf die neue Antragstellung vorbereitet sind. Für die vielen Nebenerwerbsbetriebe in Deutschland ist der Aufwand für die Antragstellung zur Erlangung der Prämien zudem überzogen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und die Landesregierungen sind daher gefordert, zeitnah entsprechende Lücken zu schließen, Beratungsangebote bereitzustellen und insbesondere Nebenerwerbsbetrieben die Antragstellung zu erleichtern.

Bodenmarkt

  •  Landwirtschaftliche Flächen, die sich im Eigentum ihrer Bewirtschafter befinden, sind immer auch ein Garant für wirtschaftliche Stabilität von landwirtschaftlichen Betrieben. Vor diesem Hintergrund ist der Flächenerwerb im Rahmen von Grundstücksgeschäften auf der Basis des Grundstücksverkehrsgesetzes – Ausübung von Vorkaufsrecht durch aufstockungsbedürftige Betriebe – ein bewährtes und sinnvolles Rechtsmittel. Nicht mehr zeitgemäß ist jedoch der Umstand, dass bei der Abwicklung der Rechtsgeschäfte über eine Siedlungsgesellschaft die Grunderwerbssteuer zweimal gezahlt werden muss. Ebenso unzeitgemäß ist der Umstand, dass beim Erwerb von Anteilen an Gesellschaften, die selbst Eigentümer von landwirtschaftlichem Grund und Boden sind, nur im Ausnahmefall Grunderwerbsteuer zu zahlen ist. Diese Gerechtigkeitslücke ist durch den Bund zu schließen.
  • Die Praxis der Flächenvergabe durch die bundeseigene BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH ist erneut zu prüfen. Bei der Verpachtung von Flächen sind nachvollziehbare Kriterien und klare Definitionen für Nachhaltigkeitsanforderungen zu benennen. Mittelfristig ist die Übertragung der noch vorhandenen Flächen an die fünf neuen Bundesländer vorzubereiten.

Wolf

  • Der Wolf ist Teil der mitteleuropäischen Kulturlandschaft und deswegen grundsätzlich ein schützenswertes Wildtier. Der Schutz ist sowohl im deutschen als auch im europäischen Naturschutzrecht fest verankert. Die Entwicklung der Bestände in den einzelnen Bundesländern zeigt, dass der günstige Erhaltungszustand teils schon erreicht ist oder absehbar erreicht wird. Vor diesem Hintergrund muss es möglich werden, je nach Bundesland europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement einzuführen und zu betreiben.
  • Die bereits heute durch das Bundesnaturschutzgesetz im begründeten Fall legalisierte Entnahmemöglichkeit zeichnet sich durch eine überbordende Bürokratie aus. Die Bundesländer sind gefordert, die Zweckmäßigkeit der Abläufe zu prüfen.
  • Der Umgang mit der Entwicklung der Wolfsbestände ist weiterhin sachlich zu diskutieren. Eine Radikalisierung der Debatte ist abzulehnen.

Fazit

Die Sprecherinnen und Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der SPD-Fraktionen der Landtage, des Abgeordnetenhauses und der Bürgerschaften, des Bundestages sowie der Europaabgeordneten setzen sich auch in Zukunft dafür ein, nach einvernehmlichen und kooperativen Wegen und Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteure des ländlichen Raums zu suchen. Der erforderliche Umbau der Tierhaltung und die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel gehören aktuell zu den drängendsten Aufgaben. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen auch weiterhin an der Seite unserer Landwirtinnen und Landwirte und unterstützen diese dabei, den Agrarsektor langfristig international wettbewerbsfähig zu halten.